PADDELN ALS INBEGRIFF VON FREIHEIT
Eine Bootsreise in die faszinierende Natur Schwedens
Letzte Vorkehrungen und Aufbruch in die Ferne
Ende Juni war es endlich so weit: Nach monatelanger Vorbereitung beluden Ewald und ich den VW Bus und arbeiteten die sorgfältig vorbereitete Checkliste ab. Dabei hakten wir einen Gegenstand nach dem anderen ab: Luftpumpe – check, Grabner RIVERSTAR – check, Paddel – check, Schwimmwesten – check. Ewald hatte zuvor den Bus für unsere Bedürfnisse adaptiert, sodass ein erhobenes, auf vier Beinen stehendes Holzbrett als unser Bett diente, während darunter Stauraum für das Kajak und die Ausrüstung geschaffen wurde.
Über 1.500 km Autofahrt erwarteten uns. Die Überfahrt mit der Fähre von Rostock über die Ostsee nach Gedser gestaltete sich als problemlos. Nachdem wir die wunderschönen Landschaften von Dänemark einmal durchquerten und die atemberaubende Öresundbrücke zwischen Kopenhagen und Malmö passierten, waren wir endlich in unserem Zielland angekommen: Schweden.
Zieldestination Schweden
Warum hatten wir uns für Schweden entschieden? Eine Reihe von Gründen sprechen für dieses „Paddelparadies“: Zum einen sind die Landschaften wie gemacht für Paddelurlaube. Die Gewässer schlängeln sich durch idyllische Landschaften, die regelrecht dazu einladen die Natur zu erkunden. Der Dalsland-Kanal ist eine Seen-Region, welche sich über 250 km erstreckt. Diese besteht aus mehreren Seen, die über 12 km künstliche Kanäle und 31 Schleusen verbunden sind. Ein wahres Paradies für Paddler und gerade im Sommer ein Hotspot für Familien und Gruppen, die im Kanu die Natur erleben möchten. Zudem ist freies Campen aufgrund des Jedermannsrechts an vielen Stellen erlaubt. Während es in Zentraleuropa drückend heiß war, herrschten in Schweden zum Paddeln angenehme Temperaturen. Ewald und ich waren zudem beeindruckt von der schwedischen Kultur, die in der Freundlichkeit und Höflichkeit der Einheimischen ihren Ausdruck fand.
Paddelerlebnis in Dalsland - Stora Lee/Foxen
Unseren Bus konnten wir für gerade einmal einen Euro am Tag am Elovsbyn Campingplatz abstellen. Ein letztes Mal gönnten wir uns die Wohltat einer warmen Dusche und nun waren wir erpicht darauf, endlich aufzubrechen.
Wir bepackten den Grabner RIVERSTAR mit der umfangreichen Ausrüstung, die wasserdicht in Rollsäcken, Tonnen, Taschen und dem großen Trockenrucksack untergebracht war. Mit dem Bootswagen transportierten wir das Kajak zum Wasser und paddelten endlich los. Die erste Nacht wollten wir fern vom Campingplatz und dem Menschentrubel im Zelt auf einer Insel verbringen. Gesagt, getan. Obwohl es zu unserem Aufbruch schon nach 18 Uhr war, hatten wir (Anfänger-)Glück. Nach wenigen Paddel-Kilometern fanden wir auf einer Insel eine wunderschöne Bucht. Sandstrand, Feuerstelle und ein geschützter Zeltplatz unter den Bäumen. Camperherz, was willst du mehr! Wir konnten unser Glück kaum fassen. Im Nachhinein waren wir uns einig, dass dieser erste Zeltplatz unser schönster sein sollte.
Selbst wenn wir an diesem Abend nur etwa fünf Kilometer gepaddelt sind, schmeckte die Tütensuppe bei so einer Aussicht einfach herrlich. Wir erkundeten die wunderschöne Insel. Es roch überall nach Kiefern, man hörte die Vögel zwitschern und so weit das Auge reichte erblickte man Gewässer, beeindruckende Klippen und dichte Wälder. Gegen 22 Uhr erlebten wir einen atemberaubenden Sonnenuntergang. Als letzten Programmpunkt dieses ereignisreichen Tages sammelten wir abgestorbenes Holz zusammen und entzündeten ein Lagerfeuer auf dem Feuerplatz, bis wir gegen Mitternacht zufrieden in den Schlafsäcken einschlummerten.
Im Vorhinein unserer Reise hatte ich befürchtet, dass es in der Nacht dermaßen stark abkühlt, dass mir frieren würde. Diese Befürchtung sollte sich jedoch als unbegründet herausstellen, sodass wir für eine bessere Belüftung sogar ein kleines „Fenster“ im Zelt offen ließen.
Wir schliefen die Nacht durch und waren am nächsten Morgen gut erholt. Die frische Luft in der Natur steuerte dazu bestimmt einen wesentlichen Teil bei. Diesmal entschieden wir uns dafür, in den östlichen Arm des Foxen Sees hinein zu paddeln. Der Wettergott war uns wohlgesonnen: Es gab Rückenwind und es sollte nur ab und zu etwas nieseln. Die meiste Zeit über hatte es herrliche 20 Grad – perfekt zum Bootfahren! Wir paddelten den Seitenarm entlang und staunten nur so, wie sich die Natur links und rechts von uns aufbäumte. Wirklich beeindruckend, welche Farben und Formationen die Blumen, Sträucher und Bäume hier annehmen konnten!
Die zweite Nacht wollten wir in einem Dano verbringen. Als „Danos“ werden Lagerplätze in der freien Natur bezeichnet, die meist mit einer einfachen Holzhütte, einem Feuerplatz und in einigen Fällen sogar mit einer Bio-Toilette ausgestattet sind. Gegen ein geringes Entgelt von etwa fünf Euro pro Person und Nacht können diese Plätze benützt werden. Der gemeinnützige Dano-Verein hat sich zudem sinnvollerweise dazu entschlossen, die Danos in einem gewissen Abstand zueinander aufzustellen, sodass Flora und Fauna nicht zu stark unter dem Outdoor-Tourismus leiden. Auf einer kleinen Insel hatten wir Glück, das Dano Nr. 37 war noch frei. Der Platz befand sich auf einer etwas erhobenen Stelle der Insel. Dort spannten wir die Hängematte auf und konnten den herrlichen Ausblick um uns herum genießen.
Für den nächsten Tag sollte es etwa 20 km Richtung Norden nach Töcksfors gehen. Am Vorabend ist uns die Gaskartusche ausgegangen, sodass wir nun darauf angewiesen waren, in dem kleinen Ort eine neue Kartusche zu kaufen. So beabsichtigten wir das Ziel an diesem Tag um jeden Preis zu erreichen.
Bei angenehmen Temperaturen und Windstelle paddelten wir dem malerischen Ostufer entlang. Bei der Fagelviksbron Brücke verbrachten wir eine kurze Mittagspause bei wärmenden Sonnenstrahlen. Am letzten Stück erwischte uns dann noch eine kleine Regenwolke, sodass wir bei Nieselregen am Campingplatz Töcksfors anlegten. Das warme Essen im Einkaufszentrum von Töcksfors war eine freudige Belohnung. Mmh schmeckt das gut nach einem langen Paddeltag!
Tag 4 war angebrochen. Diesmal sollte es wieder südwärts gehen. Wir entschieden uns auf der Westseite des Sees zu campen, um von dort aus am fünften Tag nach Norwegen aufzubrechen. Zudem hatten wir im Vorfeld vom Autofriedhof „Båstnäs“ im Wald gehört und beschlossen diesen ebenfalls zu besuchen. Bis in die 80er Jahre hatte sich ein Schrotthändler der Autoverwertung gewidmet. Die Wracks befinden sich noch immer im Wald und bilden zwischenzeitlich einen Touristen-Hotspot. Das viele Metall stellte einen absoluten Gegensatz zu dem, was wir die letzten Tage gewohnt waren, dar: eine komplett müllfreie Natur. So gestaltete sich der Friedhof als krasser Gegensatz und wir hielten uns nicht allzu lange dort auf, um uns wieder voll und ganz der unberührten Natur zuzuwenden.
Während die Sonne uns den Rücken wärmte, paddelten wir vorbei an einem Naturschutzgebiet und entdeckten dabei rare Vogelarten. Diese Gegend – der Bereich zwischen dem Stora Le und dem Foxen See – war nun deutlich stärker befahren. Viele Schulklassen waren mit den typischen Alu-Kanadiern unterwegs. Da die guten Zelt-Plätze bereits belegt waren, sollten wir uns über zwei Stunden auf die Suche begeben, bis wir einen freien Zeltplatz fanden. Da es auch schon dämmerte begnügten wir uns mit einem „mittelmäßigen“ Platz, auf dem wir aber dennoch gut und tief schliefen.
Ausgeruht von dem langen Vortag brachen wir nach Norwegen auf. Wir hatten uns vorgenommen die Insel Trolløya zu umrunden. Quer durch diese Insel verläuft die schwedisch-norwegische Grenze. Und tatsächlich konnten wir beim Näherkommen die großen, goldfarbenen Grenzmarkierungen gut erkennen. Unsere Recherchen ergaben, dass dieser pompöse Grenzstein im Jahr 1752 zwischen Schweden und Norwegen errichtet wurde. Unsere geplante Umrundung des Foxen Sees war damit fast vollendet. Das letzte Stück zurück zum Ausgangplatz paddelten wir gefühlt doppelt so schnell wie unser gewohntes Tempo. Wohl auch aufgrund unserer großen Vorfreude, endlich wieder eine warme Dusche genießen zu können.
Überwältigt von den vielen Eindrücken, kamen wir an unserem Campingplatz an. Wir hatten es geschafft! Doch ganz zu Ende war unsere Reise noch nicht.
Das Aquädukt von Håverud
Als krönenden Abschluss hatten wir uns etwas Besonderes vorgenommen. Dazu packten wir unseren Grabner RIVERSTAR samt Ausrüstung in unseren Bus und fuhren etwa eineinhalb Stunden den Dalsland-Kanal Strom abwärts in die kleine Ortschaft Håverud.
Beim Bau des Dalsland-Kanals war die schwer zugängliche Schlucht von Håverud mit steilen Felswänden und einer starken Strömung eine besondere Herausforderung. Der erfahrene schwedische Ingenieur Nils Ericson hatte die Idee, diesen Bereich mit einem Aquädukt zu überbrücken, sodass ihn Schiffe ohne Gefahr passieren konnten. Nach nur fünf Jahren Bauzeit wurde das Aquädukt 1868 von Karl XV. eingeweiht.
Dieses spektakuläre Aquädukt wollten wir unbedingt mit dem Boot überqueren. Also pumpten wir unser Kajak auf und die freundlichen schwedischen Schleusenwerter schleusten uns einmal von unten nach oben ganz durch. Ein seltener Anblick, viele Schaulustige beobachteten uns, als wir mit dem knallig rot-schwarzen RIVERSTAR über die 150 Jahre alte „Wasserbrücke“ paddelten. Wir konnten es kaum fassen, so unwirklich fühlte es sich an, diese besondere Stelle zu passieren.
Eine erlebnisreiche Schwedenreise war wieder viel zu schnell vorüber. Wir möchten unbedingt wieder kommen und mehr von dieser wundervollen und vielseitigen Natur erleben!
Ausrüstung
Der Grabner RIVERSTAR sollte uns die ganze Zeit über als treuer Gefährte dienen. Mit diesem kippstabilen Kajak sitzt man in unmittelbarer Wassernähe, sodass man sich noch mehr der Natur verbunden fühlt. Obgleich wir das Boot über wilde Böschungen und spitze Steine zogen, blieb die Bootshaut unversehrt. Dank der Spritzdecke, die sich bei dem skandinavischen Nieselregen als eines der wichtigsten Mitbringsel erwies, sammelte sich nie Wasser im Boot an. Zudem konnten wir das Boot bequem im Bus unter dem Bett transportieren und mussten dafür keinen extra Anhänger mitführen oder es am Dachträger montieren. Besonders gut gefielen mir die dreieckigen Rollsäcke, die wir passgenau und platzsparend in Bug und Heck ins Boot packen konnten.
Fazit
Zum einen bot dieser Urlaub eine Abwechslung zu den altbekannten Städtereisen und Strandurlauben. Mitten in die Natur einzutauchen, bedeutet auch zu einem gewissen Grad, zu seinen Wurzeln zurückzukehren. Unter diesen Umständen werden viele alltägliche Selbstverständlichkeiten wie eine warme Dusche, fließendes Wasser oder ein Herd, plötzlich wieder hochgeschätzt. Ewald und ich waren zudem darum bemüht, keine Spuren in der Natur zu hinterlassen und sie genauso zurückzulassen, wie wir sie vorgefunden hatten. Unter diesen Umständen prägt sich auch der Nachhaltigkeitsgedanke nochmals stärker aus. In der Natur scheinen die alltäglichen Sorgen plötzlich nichtig zu sein und man fühlt sich vor allem eines – nämlich frei.
Text u. Fotos: Magdalena F.
Video zum Bericht: „Grabner RIVERSTAR – Paddeln in Schweden“